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  • AutorenbildViktoria Jedlicka

Entlastet = sorgenfrei? Warum Ex-OMV-Chef Seele gern entlastet worden wäre

Große Verwunderung bei der Hauptversammlung des teilstaatlichen Öl- und Gaskonzerns OMV vergangenen Freitag: Die OMV-Aktionäre haben dem früheren Vorstandschef Rainer Seele bei ihrer Hauptversammlung ihr Misstrauen ausgesprochen. Seele wurde die Entlastung zu 71 % verweigert. Dies sorgte vor allem in den Medien für große Aufmerksamkeit, da es absolut selten geschieht, dass einem ehemaligen CEO eines teilstaatlichen Großunternehmens mit so deutlicher Mehrheit die Entlastung verweigert wird. Aber was heißt Entlastung überhaupt bzw. inwiefern ist diese von Bedeutung?


Eigentlich gilt die Entlastung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft als reiner Formalakt, der als Anerkennung der Geschäftsführung bzw. als Ausdruck des Vertrauens in diese zu werten ist. Bei der Entlastung handelt es sich also um eine Billigung der bisherigen Geschäftsführung, verbunden mit einem gewissen Vertrauensvorschuss für die zukünftige Geschäftsführung. Beim Aktionärstreffen der OMV letzten Freitag war dies nicht der Fall. Jene Vorstandsmitglieder, die im Vorjahr tätig gewesen sind, sollten mit einer Ausnahme – nämlich dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Rainer Seele - entlastet werden.


Weshalb sollte der frühere OMV-Vorstandschef nicht entlastet werden?

Das hat Aufsichtsratschef Mark Garrett am Anfang der virtuell abgehaltenen Hauptversammlung empfohlen. Garrett nannte unter anderem die Verletzung interner Verhaltensregeln bei der Verlängerung wichtiger Gaslieferverträge als Grund für seine Empfehlung, Seele die Entlastung zu verweigern. Im Mittelpunkt der Untersuchungen sollen insbesondere der Sponsor-Vertrag mit Zenit St. Petersburg und die Gaslieferverträge mit Gazprom Export stehen. Eine sehr lukrative Sondervereinbarung mit dem damaligen Chef der Internen Revision und Compliance und einer Ex-Managerin soll außerdem untersucht werden. Es stellt sich unter anderem also die Frage nach der Entscheidungsbefugnis sowie Wirkung der Entlastung bzw. der Verweigerung der Entlastung eines Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieds einer Aktiengesellschaft.


Wer entscheidet über die Entlastung in einer Aktiengesellschaft?

Nach § 104 Abs 2 Z 3 Aktiengesetz soll die Hauptversammlung- das sind die Aktionäre (Anteilseigner) der Aktiengesellschaft - mittels Beschluss über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats für das vorangegangene Geschäftsjahr entscheiden. Ob die Aktionäre der Entlastung zustimmen oder nicht, ist ihre freie Entscheidung. Gründe für eine mögliche Verweigerung der Entlastung können unter anderem grobe Pflichtverletzungen oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung sein. Für den Fall, dass esHinweise auf Pflichtverstöße des jeweiligen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds gibt, können die Aktionäre die Entlastung also verweigern. Dies gilt jedoch auch umgekehrt, da es den Anteilseignern auch frei steht, trotz Pflichtverstößen zu entlasten.


Wer darf abstimmen?

Sind Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gleichzeitig Aktionäre, dürfen diese nicht über ihre eigene Entlastung abstimmen. Dies gilt unabhängig der Art der Abstimmung, also sowohl bei einer Einzelabstimmung, bei der über jedes Mitglied einzeln abgestimmt wird, als auch bei einer gemeinsamen Abstimmung, nämlich einmal für den Vorstand und einmal für den Aufsichtsrat.


Recht auf Entlastung?

Die Vorstands- sowie Aufsichtsratsmitglieder haben keinen Rechtsanspruch auf Entlastung. Sie kann also nicht erzwungen werden. Der Grund dafür ist, dass die Hauptversammlung, die über eine mögliche Entlastung entscheidet, als oberstes Organ der Gesellschaft konzipiert wurde und somit nicht gezwungen werden darf.


Was bewirkt die Entlastung?

Wie die Entlastung der Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder wirkt, ist in Österreich gesetzlich nicht geregelt. Bedeutet die Entlastung eines Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglied, dass gegen das entlastete Organmitglied keine Schadenersatzansprüche mehr bestehen können? Die Antwort der österreichischen Gerichte darauf lautet: Nein! Die Entlastung ist als Anerkennung der Geschäftsführung bzw. als Ausdruck des Vertrauens in diese zu werten, jedoch nicht als Verzicht auf Schadenersatzansprüche gegen das entlastete Organmitglied. Weshalb wäre Rainer Seele dennoch gern entlastet worden? Die Entlastung gilt als bedeutsames Instrument zur Kontrolle der bisherigen Geschäftsführung und Akzeptanz der Tätigkeiten des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft.Außerdem dient es der Art und Weise, wie ein Unternehmen nach außen hin dargestellt wird. Seele hätte es bestimmt bevorzugt, dass durch eine Entlastung seine Tätigkeiten von der Hauptversammlung anerkannt und akzeptiert worden wären.


Anders sieht der Oberste Gerichtshof (OGH) den Fall, wenn alle Aktionäre die Entlastung beschließen, also Repräsentanten für 100 % der Aktien in der Hauptversammlung anwesend bzw. vertreten sind und auch für die Entlastung stimmen. Hier geht der OGH von einer Verzichtswirkung der Gesellschaft auf ihre Ersatzansprüche gegen die entlasteten Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder aus. Durch den Entlastungsbeschluss kommt es zu einer Haftungsbefreiung zugunsten der entlasteten Organmitglieder, also einem Verlust möglicher Schadenersatzansprüche der Anteilseigner gegenüber der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder.



Kurz gesagt:

  • Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, also die Aktionäre, haben mittels Beschluss über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats für das vorangegangene Geschäftsjahr zu entscheiden. Ob die Aktionäre der Entlastung zustimmen oder nicht, ist ihre freie Entscheidung.

  • Gründe für eine mögliche Verweigerung der Entlastung können unter anderem grobe Pflichtverletzungen oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung sein. Die Vorstands- sowie Aufsichtsratsmitglieder haben somit keinen Rechtsanspruch auf Entlastung.

  • Die Entlastung ist als Anerkennung der Geschäftsführung bzw. als Ausdruck des Vertrauens in diese zu werten, jedoch nicht als Verzicht auf Schadenersatzansprüche gegen das entlastete Organmitglied.


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